Heinrich der Löwe

[363] Heinrich der Löwe, Herzog in Sachsen, 1139–95, geb. 1129, war ein Sohn des Herzogs Heinrich des Stolzen und durch seine Mutter ein Enkel des deutschen Königs Lothar, ein mächtiger, trotziger, kluger und großmüthiger Fürst, der von dem größten Einfluß auf die Geschichte Deutschlands gewesen ist. Den Beinamen des Löwen, den er durch seine Tapferkeit gerechtfertigt, soll er erhalten haben, weil er das Bild des kön. Thieres zum Sinnbilde genommen und daher z.B. vor seiner Burg in Braunschweig einen ehernen Löwen aufgestellt hatte. Andere haben erzählt, er habe in Palästina einen Löwen aus der Gewalt einer Schlange gerettet und derselbe sei ihm dann stets treu gefolgt. Während seiner Minderjährigkeit verwalteten sein Erbtheil seine Mutter und Großmutter und sein Oheim Welf. Die deutschen Fürsten benutzten diese Zeit, die Macht des mit eifersüchtigen Augen betrachteten Hauses der Welfen zu schmälern. Nachdem aber H. 1146 selbst die Regierung angetreten, war er alsbald bedacht, Ansehen und Macht seiner Familie auf das vollkommenste wiederherzustellen. Durch Gewalt der Waffen machte er sich seinen Feinden furchtbar, und zugleich förderte er den Wohlstand seiner Staaten auf das kräftigste. Er hatte einen Theil von Mecklenburg und Pommern erobert und zog aus Deutschland, Brabant und Flandern gewerbthätige Einwohner in diese noch rohen Gegenden. Er ließ Wälder ausrotten, Sümpfe austrocknen, legte Stifter und Bisthümer an und erbaute Städte. Nachdem ihm Kaiser Friedrich I., dem er bei seinem Zuge nach Italien die wichtigsten Dienste geleistet, ja sogar das Leben gerettet hatte, 1154 zum Herzog von Baiern ernannt hatte, erstreckten sich seine Besitzungen durch ganz Deutschland von der Ost- und Nordsee bis zum adriat. Meere. Auch hatten ihm 1154 die Vasallen auf den welfischen Stammgütern in Italien huldigen müssen. Macht und Glück erregten H. Neider und Feinde und schon 1166 vereinigten sich mehre Fürsten und Bischöfe unter Hartwig, Erzbischof von Bremen, gegen ihn. Er aber kam ihren Plänen zuvor, nahm Bremen, verheerte die Besitzungen seiner Feinde und demüthigte diese. Hierauf unternahm H. einen Zug nach Palästina, nachdem er zuvor von seiner ersten Gemahlin sich getrennt und eine engl. Prinzessin geehelicht hatte. Wieder in Deutschland angelangt, wurde er vom Kaiser Friedrich I. aufgefodert, ihn auf einem neuen Zuge nach Italien gegen die aufsätzigen lombard. Städte zu begleiten. Zwar gehorchte H. anfangs, aber eine geheime Eifersucht mochte Ursache sein, daß er den Kaiser plötzlich bei der Belagerung von Alessandria verließ. Vergebens soll ihn Friedrich sogar fußfällig gebeten haben, mit seiner bedeutenden Heeresmacht bei ihm zu bleiben. Die Folge dieser Treulosigkeit war einerseits, daß der Kaiser in der blutigen Schlacht bei Legnano von den Lombarden geschlagen wurde, andererseits, daß H., gegen den man von allen Seiten Beschwerden erhoben, vor einen Reichstag zur Verantwortung geladen wurde, und als er auf wiederholte Foderung nicht erschien, vom Kaiser 1180 in die Acht und aller seiner Lehen verlustig erklärt wurde. Seine Besitzungen wurden unter die ihm feindlich gesinnten Fürsten und Bischöfe vertheilt. Indeß vermochten diese nichts gegen H., der nur erst, als Friedrich I. selbst gegen ihn ins Feld rückte, sich gezwungen sah, sich zu unterwerfen und zu demüthigen. Er bat 1182 fußfällig den Kaiser um Gnade, dieser vergab ihm wenigstens so weit, daß er ihm den Besitz seiner Erbländer Braunschweig und Lüneburg zusicherte, indeß mußte er die Bedingung erfüllen, drei Jahre außerhalb Deutschlands bei seinem Schwiegervater, dem Könige von England, zuzubringen. Ebendahin mußte er nochmals 1188 gehen, als Friedrich I. nach Palästina zog. Da er aber nach dem Tode seiner Gemahlin erfuhr, daß seine Gegner seine Besitzungen noch mehr zu vermindern strebten, kehrte er 1189 zurück, griff mit altem Muth und alter Tapferkeit seine Feinde an, schlug sie mehre Male, erlitt aber endlich selbst eine Niederlage. Ein Vergleich 1190 hatte wenig Dauer und erst als mit H.'s Einwilligung sein Sohn Heinrich eine Bruderstochter Friedrich I. zur Gemahlin genommen [363] hatte, wurde unter Kaiser Heinrich VI. der Friede 1194 hergestellt. Aber schon im folgenden Jahre starb H. zu Braunschweig und ein Denkmal in dem dortigen Dome zeigt noch jetzt die Grabstätte des großen Fürsten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 363-364.
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