Achter Auftritt

[60] Die Vorigen. Adolar.

Alle Übrigen sind erstaunt über das Erscheinen des Unbekannten.


ADOLAR.

Giebts keine Treu' auf weiter Erde mehr,

Davon, davon ist mir das Herz so schwer.

In Liebesglut ist nichts als Wankelmut,

Am falschen Herzen sich's gefährlich ruht.

DIE LANDLEUTE.

Welch Klagen hier trübt froher Liebe Mut?

ADOLAR.

Fahr' hin, fahr' hin, du süßer Liebestraum,

Gieb dunkler Nacht und ihren Schrecken Raum.

Nacht ohne Licht herein mit Stürmen bricht;

Heimat, versag' ein Grab dem Müden nicht.


Er öffnet sein Visier.


Die Landleute erkennen ihren Herrn; freudige Bewegung.


CHOR.

Er ist's, o Glück, o neuer Hoffnung Licht!

BERTHA.

So mußte der ersehnte Tag erscheinen!

ALLE.

Geliebter Herr! willkommen bei den deinen!

ADOLAR

Hinweg! Laßt meiner Trauer mich!

BERTHA.

Hier schlägt noch jedes Herz für dich![60]

CHOR.

Führ' an der Jugend mut'ge Schar, befreie

Dein seufzend Land –

ADOLAR.

Du süße, heil'ge Treue!

Du lebst, doch nicht in Euryanthes Brust!

CHOR.

Den schnödesten Verdacht entferne,

Ich spreche Wahrheit sonder Scheu:

Es wankten eh' des Himmels Sterne,

Als unsrer süßen Herrin Treu'!

ADOLAR.

Nein! sie verriet mich!

BERTHA.

Hör' gewicht'ge Kunde:

Mit deinem Feind ist Eglantin' im Bunde,

Auf deiner Ahnen stolzem Sitz,

Wo du ihr Zuflucht einst gegeben,

Will Lysiart heut zur Herrin sie erheben.

ADOLAR.

Allwaltender, wo ist dein Blitz?!

Nr. 22. Solo mit Chor.


BERTHA UND CHOR.

Vernichte kühn das Werk der Tücke,

Vertrau' der Liebe und dem Glücke!

Es jauchzt dir zu dein ganzes Land,

Zum Schwert für dich greift jede Hand!

ADOLAR.

Hilf mir durchschau'n das Werk der Tücke,

Allwissender, mit klarem Blicke;

Gieb Kraft zum Siege meiner Hand,

Für Ehre, Treue, Gut und Land.


Er schließt seinen Helm und tritt beobachtend nach links vorn.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Euryanthe. Leipzig [o.J.], S. 60-61.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon