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[369] Die Falkenburg. Großes Zimmer.

Segest und seine Knechte.


SEGEST. Eßt!

DIE KNECHTE. Wir mögen nicht.

SEGEST. Was ist euch? Was murrt ihr?

KNECHTE. Vielerlei. Roms Sklaven wollen wir nicht länger sein.

SEGEST. Das sollt ihr sein und bleiben, und meine Diener dazu!

KNECHTE. Wir dienen keinem Fürsten, der bei den Welschen selbst ein Knecht und Kratzfuß ist.

EINER. Von jetzt an fechten wir zusammen mit Hermann und an mit unsren Nachbarn und stellst du dich auch dreißigmal dagegen auf den Kopf.

SEGEST. Hunde!

KNECHTE. Sieh zu, welcher deiner sogenannten Hunde dir morgen die Stiefel wichst! Sie gehen ab.

SEGEST. Mir wirds öde zu Sinn als würde mein Kopf trocken wie unsre sandige Senne, doch ohne von ihren wilden Pferden belebt und aufgestäubt zu sein. – Handelte ich denn unrecht oder unklug, als ich mich aus wohlbegründetem[369] Haß gegen Hermann den Römern in die Hände warf? – Ich will sehen was die nun einem verlassenen Greise, wie ich bin, dafür bieten. – Haus meiner Väter, lebe einstweilen wohl. Ich steige hinunter, doch komm ich wieder hinauf, werd ich dich neu auszuschmücken wissen, das Blut meiner treulosen Knechte nicht dabei zu vergessen.


Er steigt die Falkenburg hinunter und begegnet Varus.


Meine Leute haben mich verlassen, ich bleib euch treu, und biet euch auch fernerhin meinen Arm an.

VARUS. Der wird mir wenig helfen, alter Grauschimmel. Du hättest deine Leute besser in Zucht halten sollen. Geh du mir aus dem Wege – Ich traue keinem Germanen mehr, sie lügen und trügen mit offenster Stirn, und habens desto weiter hinter den Ohren und Bergen. Platz, sag ich, Schwächling und Heuchler zugleich! Er stürzt ihn zur Erde, und Segest verröchelt unter den über ihn marschierenden Legionen.

SEGEST im Sterben. Das mein Lohn?

VARUS. Münze für Verrat. Wer seine Landsleute an Fremde verrät, wirds zuletzt mit den Fremden nicht besser machen, besonders im Cheruskawald.

HERMANN. Da fiel was Großes. Wer ists?

EIN DEUTSCHER AUS HERMANNS NÄCHSTER UMGEBUNG. Segest, dein Schwiegervater.

HERMANN. Schweigt davon.

VARUS. Der Weg vor uns wird steil. – Für sich. Was seh ich? Seine Höhe bedeckt sich mit Wolken feindlicher Krieger!

HERMANN jauchzend. Die Chatten, sie sind da! Sie kommen uns in hellen Haufen entgegen über Tal und Berg! Nun Varus! siehe zu wie du dich hinauswindest.

VARUS. Weiter, weiter! Es gilt eur Alles!

DIE VORTRUPPEN DER CHATTEN stürzen ihm von der Höhe der Landstraße entgegen. Zurück!

INGOMAR im Rücken der weichenden Römer, mit Harzern, Ravensbergen p.p. und seinen eignen Kriegern. Zurück!

HERMANN mit seinem Heere von West, und viele Bundsgenossen von der Weser und Elbe von Ost auf die Römer losstürzend. Beiseit!

VARUS kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Zeus, wo soll man bleiben! Vorn und hinten heißt es zurück, und zu beiden Seiten heißt es beiseit. – Ah, schlagen wir uns rechts, da[370] oben auf die breite Bergkuppe, welche alle Wege der Umgegend beherrscht.

HERMANN. Sie drehen sich nach dem Windfeld zu, besetzen wir es, und fortan heißt es Winfeld, weil wir drauf nicht Wind machen, sondern da gewinnen werden.

VARUS. Dahinauf!


Gewaltige Gegenwehr der Deutschen unter Hermann auf dem Winfeld und Angriffe auf die Römer allerorts.


Es geht diesmal nicht. Erholen und stärken wir uns heute Nacht, um morgen den Aufgang zu erzwingen.

EIN QUÄSTOR. Ja, wenn man uns in diesem Tal schlafen läßt, und die Leute was zu essen und zu trinken hätten.

VARUS. Auch ich habe weder Schlaf, noch einen Bissen zu verzehren. Damit mögen sie sich trösten. – Ein ordentliches Lager können wir in den schmalen Schluchten nicht aufschlagen, hätten wir auch noch die kräftigsten Hände. Ersparen wir uns die Mühe, und lagern wir auf der freien Erde. Die eine Hälfte des Heers um die andere, soll sich alle zwei Stunden ablösen, damit sie während der Nacht sich wechselsweise beschützen.

HERMANN. Lebendig sollt ihr auf unsrer Erde nicht mehr liegen. Stehen sollt ihr, wie reifes Ährenfeld, bis ihr gemähet hinfallt Sein Schwert schwingend. unter unsren Sicheln!


Zu seinen Truppen.


Gebt den Bundsgenossen die Signale und greifen wir mit ihnen ringsum die ganze Nacht die Flüchtlinge an.


Hörner, Pauken, Kriegsgeschrei der Deutschen und allgemeiner Kampf.


VARUS. Bei bewandten Umständen hat die zweite Abteilung des Heers, welcher ich das Niederlegen erlaubte, sich wieder zu erheben und in den Reihen mitzukämpfen.

EIN RÖMER aufstehend. Säßen wir nur erst im Acheron, so wäre alles aus, mindestens wüßte man endlich, wie man daran wäre.[371]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 3, Emsdetten 1960–1970, S. 369-372.
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