33.

[415] Der Undankbarkeit gegen ganze Stände machen wir uns unter andern durch zu allgemeine Schmähungen des Adels und des Priesterstandes schuldig. Ich kann wohl nicht leicht in den Verdacht kommen, als redete ich den, in unser Zeitalter gar nicht passenden Vorurtheilen der privilegirten Stände, der geistlichen Hierarchie und dem Mönchswesen das Wort; allein wenn wir die Thorheit dieser Classen und den Unfug, den sie von je her angerichtet haben, rügen; so lasset es uns auch nicht mit Stillschweigen übergehn, daß eine liberalere Denkungsart, daß Gastfreundschaft, daß Begriffe von wahrer Ehre, von Großmuth gegen niedergedrückte Feinde, von Treue und Glauben, von Schutz-Verleihung an unschuldig[415] Gekränkte, von Zartgefühl in der Verbindung zwischen beyden Geschlechten, zum Theil noch Ueberbleibsel aus den alten romantischen Ritterzeiten sind, und daß manche Wissenschaften, Kenntnisse und literarische Schätze während dem barbarischen mittlern Zeitalter in den Klöstern aufbewahrt, durch Mönche und Weltgeistliche von dem gänzlichen Untergange gerettet und auf die Nachkommenschaft sind gebracht worden – ja! daß unsre wohlthätige Reformation selbst das Werk eines ehemaligen Mönchs gewesen ist.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 415-416.
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