Zehnter Auftritt.

[20] Angelique. Toinette.


TOINETTE. Sie stecken da mit einem Notar zusammen, und ich habe etwas von einem Testamente sprechen hören. Eure Stiefmutter legt die Hände nicht in den Schoß und drängt gewiß Euren Vater wieder zu einer Verschwörung gegen Euch.

ANGELIQUE. Mag er doch mit meinem Vermögen schalten wie er will, wenn er nur nicht über mein Herz verfügt. Du siehst, Toinette, zu welchen Gewaltschritten man ihn drängen will; verlaß mich nicht in meiner Not, ich bitte dich!

TOINETTE. Ich Euch verlassen? lieber wollte ich sterben. Eure Stiefmutter mag sich noch so viel Mühe geben, mich in ihr Vertrauen zu ziehn und für ihre Pläne zu gewinnen, ich habe sie nie leiden können, und bin immer auf Eurer Seite gewesen. Laßt mich nur machen; ich werde alles daransetzen, Euch zu helfen: aber um Euch besser dienen zu können, muß ich die Sache anders angreifen; ich muß meinen Eifer für Euch verbergen und mich stellen, als ginge ich auf die Absichten Eures Vaters und Eurer Stiefmutter ein.

ANGELIQUE. Suche nur vor allem, darum beschwöre ich dich, Cleanthe von der beschlossenen Heirat Nachricht zu geben.

TOINETTE. Dazu kann ich niemand verwenden, als den alten Wucherer Polichinelle, meinen Anbeter; es wird mir einige süße Worte kosten, und die will ich gern für Euch dranwenden. Heut abend ist es schon zu spät, aber morgen mit dem frühesten werde ich ihn holen lassen, und er wird hocherfreut sein ...


Quelle:
Molière: Der eingebildete Kranke. Leipzig 1945, S. 20-21.
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