Acht und zwanzigster Auftritt.

[95] Das Theater verwandelt sich in zwey große Berge; in dem einen ist ein Wasserfall, worin man sausen und brausen hört; der andre speyt Feuer aus; jeder Berg hat ein durchbrochenes Gegitter, worin man Feuer und Wasser sieht; da, wo das Feuer brennt, muß der Horizont hellroth seyn, und wo das Wasser ist, liegt schwarzer Nebel. Die Scenen sind Felsen, jede Scene schließt sich mit einer eisernen Thüre. Tamino ist leicht angezogen ohne Sandalien. Zwey schwarz geharnischte Männer führen Tamino herein. Auf ihren Helmen brennt Feuer, sie lesen ihm die transparente Schrift vor, welche auf einer Pyramide geschrieben steht. Diese Pyramide steht in der Mitte ganz in der Höhe nahe am Gegitter.


ZWEY MÄNNER.

Der, welcher wandert diese Strasse voll Beschwerden,

Wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden;

Wenn er des Todes Schrecken überwinden kann,[95]

Schwingt er sich aus der Erde Himmel an. –

Erleuchtet wird er dann im Stande seyn,

Sich den Mysterien der Ists ganz zu weih'n.

TAMINO.

Mich schreckt kein Tod, als Mann zu handeln, –

Den Weg der Tugend fort zu wandeln.

Schließt mir des Schreckens Pforten auf!

PAMINA von innen.

Tamino, halt, ich muß dich seh'n.

TAMINO UND DIE GEHARNISCHTEN.

Was höre ich, Paminens Stimme?

Ja, ja, das ist Paminens Stimme!

Wohl mir / dir nun kann sie mit mir / dir gehn.

Nun trennet uns / euch kein Schicksal mehr,

Wenn auch der Tod beschieden wär.

TAMINO.

Ist mir erlaubt, mit ihr zu sprechen?

GEHARNISCHTE.

Dir sey erlaubt, mit ihr zu sprechen.

Welch Glück, wenn wir uns / euch wieder seh'n,

Froh Hand in Hand in Tempel geh'n.[96]

Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut,

Ist würdig, und wird eingeweiht.


Die Thüre wird aufgemacht; Tamino, Pamina umarmen sich.


PAMINA.


Pause.


Tamino mein! O welch ein Glück!

TAMINO.

Pamina mein! O welch ein Glück!

TAMINO.

Hier sind die Schreckenspforten,

Die Noth und Tod mir dräun.

PAMINA.

Ich werde aller Orten

An deiner Seite seyn.

Ich selbsten führe dich;

Die Liebe leite mich!


Nimmt ihn bey der Hand.


Sie mag den Weg mit Rosen streu'n,

Weil Rosen stets bey Dornen seyn.

Spiel du die Zauberflöte an;

Sie schütze uns auf unsrer Bahn;

Es schnitt in einer Zauberstunde

Mein Vater sie aus tiefstem Grunde[97]

Der tausendjähr'gen Eiche aus

Bey Blitz und Donner, Sturm und Braus.

TAMINO, PAMINA.

Nun komm, ich / und spiel' die Flöte an.

ZWEY GEHARNISCHTE.

Sie leitet uns / euch auf grauser Bahn.

Wir wandeln / Ihr wandelt durch des Tones Macht

Froh durch des Todes düstre Nacht.


Die Thüren werden nach ihnen zugeschlagen; man sieht Tamino und Pamina wandern; man hört Feuergeprassel, und Windegeheul, manchmal auch den Ton eines dumpfen Donners, und Wassergeräusch. Tamino bläst seine Flöte; gedämpfte Paucken accompagniren manchmal darunter. Sobald sie vom Feuer heraus kommen, umarmen sie sich, und bleiben in der Mitte.


PAMINA.

Wir wandelten durch Feuergluthen,

Bekämpften muthig die Gefahr.


Zu Tamino.


Dein Ton sey Schutz in Wasserfluthen,

So wie er es im Feuer war.


Tamino bläst; man sieht sie hinunter steigen, und nach einiger Zeit wieder herauf kommen; sogleich öffnet sich[98] eine Thüre; man sieht einen Eingang in einen Tempel, welcher hell beleuchtet ist. Eine feyerliche Stille. Dieser Anblick muß den vollkommensten Glanz darstellen. Sogleich fällt der Chor unter Trompeten und Paucken ein. Zuvor aber


TAMINO, PAMINA.

Ihr Götter, welch ein Augenblick!

Gewähret ist uns Isis Glück.

CHOR.

Triumph, Triumph! du edles Paar!

Besieget hast du die Gefahr!

Der Isis Weihe ist nun dein!

Kommt, tretet in den Tempel ein!


Alle ab.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte, von Emanuel Schikaneder, Wien 1791, S. 95-99.
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