Erste Szene

[8] Troja.


Troilus und Pandarus treten auf.


TROILUS.

Ruft meinen Knappen her, mich zu entwaffnen;

Was soll ich vor den Mauern Trojas fechten,

Dem hier im Innern tobt so wilder Kampf?

Wem von den Troern noch ein Herz gehört,

Der zieh' ins Feld; ach, Troilus hat keins! –

PANDARUS.

Stets noch das alte Lied?

TROILUS.

Der Griech' ist stark, und bei der Kraft gewandt,

Keck bei Gewandtheit, und bei Keckheit tapfer:

Doch ich bin schwächer als des Weibes Tränen,

Zahmer als Schlaf, betörter als die Einfalt,

Zaghafter als die Jungfrau in der Nacht,

Und ungewandt, wie unbelehrte Kindheit.

PANDARUS. Nun, ich habe dir's genug gesagt; ich, meines Teils, werde mich nicht mehr drein mischen und mengen. Der, der aus dem Weizen einen Kuchen haben will, muß das Mahlen abwarten. –

TROILUS. Hab' ich nicht gewartet?

PANDARUS. Ja, auf das Mahlen; aber Ihr müßt das Beuteln abwarten.

TROILUS. Hab' ich nicht gewartet?

PANDARUS. Ja, auf das Beuteln; aber Ihr müßt das Säuern abwarten.

TROILUS. Auch darauf hab' ich gewartet.

PANDARUS. Ja, aufs Säuern; aber nun kommt noch in dem Wort hernach das Kneten, das Formen des Kuchens, das Heizen des Ofens und das Backen; ja, Ihr müßt auch noch[8] das Kaltwerden abwarten, oder Ihr lauft Gefahr, Euch die Lippen zu verbrennen.

TROILUS.

Die Langmut selbst, wie sehr sie Göttin ist,

Weicht vor dem Dulden mehr als ich zurück.

Ich sitz' an Priams Königstisch; und kommt

Die holde Cressida mir in den Sinn,

Verräter du! – Sie kommt? Wann wär' sie fort?

PANDARUS. Gewiß, sie war gestern abend reizender, als ich sie oder irgendein Mädchen je gesehn.

TROILUS.

Oh, laß dir noch erzählen: Wie mein Herz,

Als sprengt's ein Seufzer, mir zerbrechen wollte, –


Daß mich mein Vater nicht erriet, noch Hektor,

Verbarg ich, wie die Sonn' im Sturme leuchtet,

In eines Lächelns Falte diesen Seufzer:

Doch gleicht, in Schein der Lust verhüllt, Bedrängnis

Dem Scherz, der bald zum Gram wird durchs Verhängnis.

PANDARUS. Ja, wär' ihr Haar nicht etwas dunkler als das der Helena, – doch, was tut das? – so wäre gar kein Unterschied zwischen den beiden Frauen. Doch was mich betrifft, so ist sie meine Nichte; ich möchte sie nicht, wie man zu sagen pflegt, herausstreichen; aber ich wollte, es hätte sie jemand gestern reden hören wie ich. Ich will dem Verstand deiner Schwester Kassandra nicht zu nahe treten; aber ...

TROILUS.

O Pandarus! Ich sag' dir, Pandarus, –


Wenn ich dir sage, dort ertrank mein Hoffen,

Erwidre nicht, wie viele Klafter tief

Es untersank. Ich sag', ich bin verzückt

Aus Lieb' in Cressida; du nennst sie schön,

Senkst in die offne Wunde meines Herzens

Den Blick, das Haar, die Wange, Gang und Stimme;

Handelst in deiner Red', .... o liebe Hand,

Mit der verglichen alles Weiß wie Tinte

Sich selbst das Urteil schreibt; ihr sanft Berühren

Macht rauh des Schwanes Flaum, die feinste Fühlung

Hart wie des Pflügers Faust; – dies sagst du mir,

Und wahrhaft ganz, wenn ich dir schwör', ich liebe:

Doch mit dem Wort legst du in jede Wunde,[9]

Mit der mich Liebe traf, statt Öls und Balsams

Den Dolch, der sie geschlagen.

PANDARUS. Ich sage nur, was wahr.

TROILUS. Nicht einmal so viel! –

PANDARUS. Meiner Treu', ich mische mich nicht mehr hinein. Mag sie sein, wie sie ist! Ist sie schön, um so besser für sie; ist sie's nicht, so wird sie schon wissen, wie sie sich helfen kann.

TROILUS. Lieber Pandarus! – Was ist, Pandarus? –

PANDARUS. Müh' und Not hatt' ich von meinen Wegen; verkannt von ihr und verkannt von Euch; immer hin und her gelaufen, und schlechten Dank für meine Mühe.

TROILUS. Was, bist du böse, Pandarus? Auf mich? –

PANDARUS. Weil sie mit mir verwandt ist, darum ist sie nicht so schön als Helena; wäre sie nicht mit mir verwandt, da wäre sie Freitags eben so schön als Helena Sonntags. Doch was kümmert's mich? Mir soll's einerlei sein, und wenn sie schwarz wie eine Mohrin aussähe; es ist mir alles gleich.

TROILUS. Sage ich denn, sie sei nicht schön? –

PANDARUS. Es kümmert mich nicht, ob Ihr's sagt, oder nicht. Sie ist eine Törin, daß sie ihrem Vater nicht nachfolgt; sie muß zu den Griechen, und das werde ich ihr sagen, sobald ich sie sehe. Ich, meines Teils, will mich nicht mehr drein mischen noch mengen. –

TROILUS. Pandarus –

PANDARUS. Ich nicht.

TROILUS. Bester Pandarus –

PANDARUS. Bitt' Euch, laßt mich in Frieden. Ich lasse alles, wie ich's gefunden, und damit gut. Pandarus ab.


Es wird zum Kampf geblasen.


TROILUS.

Still, rauhe Töne! Still, unholder Klang! –


Narr'n beiderseits! Schön sein muß Helena,

Wenn ihr sie täglich schminkt mit eurem Blut.

Der Anlaß kann mich nicht zum Kampf begeistern,

Zu dürftig für mein Schwert ist dieser Preis! –


Und Pandarus, – wie quält ihr mich, ihr Götter!

Zugänglich nur wird Cressida durch ihn;[10]

Den Kind'schen werb' ich nie zum Werben an,

Und sie bleibt spröd' verschlossen jeder Bitte.

Sag mir, Apoll,' um deiner Daphne Liebe,

Was Cressida, was Pandar ist, was ich?

Ihr Bett ist Indien! Dort als Perle ruht sie;

Was zwischen ihrem Thron und unserm Ilium,

Nenn' ich empörtes, flutbewegtes Meer,

Mich selbst den Kaufherrn, und den Schiffer Pandar

Mein Boot, mein Schiffgeleit: mein zweifelnd Hoffen.


Trompeten. Äneas tritt auf.


ÄNEAS.

Wie nun, Prinz Troilus? Weshalb nicht im Feld?

TROILUS.

Weil ich nicht dort. Die Weiberantwort paßt,

Denn weibisch ist es, draußen nicht zu sein. –


Was gibt's, Äneas, Neues heut im Feld?

ÄNEAS.

Daß Paris heimgekommen und verwundet.

TROILUS.

Durch wen, Äneas?

ÄNEAS.

Menelaus tat's.

TROILUS.

Zum Lachen! Nahm ihn jener so aufs Korn?

Paris geschrammt von Menelaus' Horn?

ÄNEAS.

Horch! Lust'ge Jagd dort außen, hell und scharf!

TROILUS.

Weit schöner hier, wenn »dürft' ich« hieß: »ich darf«

Doch hin zur Jagd des Felds! Willst du hinunter?

ÄNEAS.

In aller Eil'.

TROILUS.

So gehn wir rasch und munter!


Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 8-11.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Troilus und Cressida
Troilus and Cressida
Troilus und Cressida: Zweisprachige Ausgabe
Troilus and Cressida. Troilus und Cressida
Troilus und Cressida

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon