Siebentes Kapitel

[17] Es erhellt auch, dass in allen drei Schlussfiguren in den Fällen, wo kein Schluss aus ihnen gezogen werden kann, dann überhaupt Nichts mit Notwendigkeit sich ergiebt, sofern beide Vordersätze bejahend oder verneinend lauten, lautet dagegen der eine Vordersatz bejahend und der andere verneinend und letzterer dabei allgemein, so ergiebt sich wenigstens ein Schluss, wonach der kleinere Aussenbegriff sich irgendwie zu dem grösseren verhält. Dies ist z.B. der Fall, wenn A in allen oder einigen B, aber B in keinem C enthalten ist; denn wenn man diese Vordersätze umkehrt, so muss C in einigen A nicht enthalten sein, und dasselbe findet in den beiden anderen Schlussfiguren statt; denn durch die Umkehrung der Vordersätze ergiebt sich immer ein Schluss. Auch ist klar, dass wenn man statt des beschränkten bejahenden Vordersatzes, denselben unbestimmt setzt, sich dann derselbe Schluss in allen Schlussfiguren ergeben wird.

Auch erhellt, dass alle unvollkommenen Schlüsse ihre Vollendung durch die erste Schlussfigur erhalten; denn sie gelangen direkt zu ihrem Schlusssatz, oder indirekt vermittelst des Beweises von der Unmöglichkeit des Gegentheils; und in beiden Fällen kommt man dabei zur ersten Schlussfigur und zwar bei den direkten Beweis, weil da alle ihren Schlusssatz erst durch Umkehrung eines Vordersatzes erreichen und diese Umkehrung die erste Schlussfigur herstellt; bei dem Unmöglichkeitsbeweis aber deshalb, weil, wenn das Falsche angesetzt wird, auch hier der Schluss in der ersten Figur erfolgt. Wenn z.B. in der dritten Figur A und B in dem ganzen C enthalten sind, so lautet der Schluss, dass A in einigen B enthalten ist; denn wäre A in keinem B enthalten, so müsste, da B in allen C enthalten ist, A in keinem C enthalten sein, was unmöglich ist, da es als in allen C enthalten angesetzt worden ist. Aehnlich verhält es sich bei den anderen Schlussfiguren.

Auch kann man alle Schlüsse auf allgemeine Schlüsse der ersten Figur zurückführen; denn bei denen der zweiten Figur erhellt, dass sie alle erst durch solche zu vollkommenen werden; nur geschieht dies nicht auf die gleiche Weise bei allen, sondern bei den allgemein verneinenden[17] durch Umkehrung und bei den beschränkten dadurch, dass bei jedem derselben die Unmöglichkeit des Gegentheils nachgewiesen wird. Die beschränkt lautenden Schlüsse der ersten Figur, sind zwar in sich selbst vollkommen, doch kann man ihre Richtigkeit auch mittelst der zweiten Figur durch die Unmöglichkeit des Gegentheils beweisen. Wenn z.B. A in dem ganzen B und B in einigen C enthalten ist, so kann man auf diese Weise zeigen, dass A in einigen C enthalten ist; denn wenn A in keinem C enthalten wäre, aber A in dem ganzen B, so würde B in keinem C enthalten sein, welchen Schluss man durch die zweite Figur erhält. Ebenso lässt sich der Beweis bei dem verneinenden Obersatz führen; denn wenn A in keinem B enthalten ist, B aber in einigen C enthalten ist, so wird A in einigen C nicht enthalten sein; denn wäre A in dem ganzen C enthalten, so würde, da A in keinem B enthalten ist, B in keinem C enthalten sein, was ein Schluss der zweiten Figur ist. Wenn also alle Schlüsse der zweiten Figur sich auf die allgemeinen Schlüsse der ersten Figur zurückführen lassen und die beschränkt lautenden der ersten Figur sich auf Schlüsse der zweiten Figur zurückführen lassen, so erhellt, dass auch die beschränkt lautenden der ersten Figur sich auf die allgemeinen Schlüsse der ersten Figur zurückführen lassen. Was aber die Schlüsse der dritten Figur anlangt, so lassen sie sich, wenn sie allgemein lauten, sofort durch Schlüsse der ersten Figur zu vollkommnen machen; lauten sie aber beschränkt, so werden sie durch beschränkte Schlüsse der ersten Figur zu vollkommenen; und da diese sich in allgemeine der ersten Figur umwandeln lassen, so gilt dies auch von den beschränkten Schlüssen der dritten Figur. Somit erhellt, dass sich alle Schlüsse auf allgemeine Schlüsse der ersten Figur zurückführen lassen.

Hiermit habe ich dargelegt, wie sich die Schlüsse, welche das einfache Sein oder Nicht-sein ausdrücken, zu einander verhalten und zwar wie sich die Schlüsse derselben Figur zu einander und wie die Schlüsse verschiedener Figuren zu einander sich verhalten.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 17-18.
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