Neuntes Kapitel

[20] Es kommt mitunter vor, dass wenn auch nur einer der Vordersätze in der ersten Figur ein nothwendiger ist dennoch der Schlusssatz ein nothwendiger ist; nur ist es nicht gleichgiltig, welcher Vordersatz das ist, sondern es muss der Vordersatz mit dem grösseren Aussenbegriff sein. Wenn z.B. angenommen wird, dass A in B nothwendig enthalten oder nicht enthalten ist, während B in C nur einfach enthalten ist, so ist, bei solcher Annahme der Vordersätze, A in C nothwendig enthalten oder nicht-enthalten. Denn da A in dem ganzen B nothwendig enthalten oder nicht-enthalten ist und C einiges von B ist so erhellt, dass auch C nothwendig eines oder das andere sein muss. Ist aber der Obersatz A B nicht nothwendig, aber der Untersatz B C nothwendig, so ist der Schlusssatz kein nothwendiger. Denn wäre dies der Fall so würde vermittelst der ersten und dritten Figur sich ergeben, dass auch A in einigen B nothwendig enthalten sein müsste, welcher Satz falsch wäre, denn B kann der Art sein, dass statthafterweise A in keinem B enthalten ist. Auch aus den Begriffen erhellt, dass in diesem Falle der Schlusssatz kein nothwendiger ist. Man nehme z.B. für A die Bewegung, für B das Geschöpf und für C den Menschen. Hier ist der Mensch nothwendig mit dem Geschöpf, aber die Bewegung ist nicht nothwendig mit dem Geschöpf verbunden, also auch nicht mit dem Menschen. Ebenso verhält es sich wenn der Satz A B verneinend lautet; der Beweis ist der nämliche.

Bei den beschränkten Schlüssen der ersten Figur ist wenn der allgemeine Satz nothwendig ist, auch der Schlusssatz nothwendig; ist aber nur der beschränkte Satz nothwendig, so ist der Schlusssatz nicht nothwendig, mag der allgemeine Satz dabei bejahend oder verneinend[20] lauten. Denn es sei erstens der allgemeine Satz ein nothwendiger und A soll in dem ganzen B nothwendig enthalten sein, während B in einigen C nur einfach enthalten ist; hier muss A nothwendig in einigen C enthalten sein, denn C ist unter dem B begriffen und A war in dem ganzen B nothwendig enthalten. Ebenso verhält es sich, wenn der Schluss verneinend lautet, denn der Beweis ist derselbe. Lautet aber nur der beschränkte Satz nothwendig, so ist der Schlusssatz kein nothwendiger; denn es ergiebt sich dann eben so wenig, wie oben bei den allgemeinen Schlüssen, etwas unmögliches und dies gilt auch für den Fall, dass der Obersatz verneinend lautet, wie die Begriffe: Bewegung, Geschöpf, Weisses ergeben.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 20-21.
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