Erstes Kapitel

[66] Das, was zu wissen verlangt wird, ist der Zahl nach ebenso vieles, als das, was wir wissen. Wir verlangen nämlich noch viererlei, nach dem Dass, nach dem Warum, nach dem Ob es ist und nach dem Was es ist. Wenn man nämlich zu wissen verlangt, ob etwas dieses oder jenes ist und diese einzelnen Möglichkeiten aufzählt, z.B., ob die Sonne sich verfinstert oder nicht, so verlangt man nach dem Dass. Dies erhellt daraus, dass man sich beruhigt, wenn man findet, dass sie sich verfinstert; wenn man aber gleich Anfangs weiss, dass sie sich verfinstert, so verlangt man nicht zu wissen, ob das eine oder das andere stattfindet. Wenn man nun das Dass weiss, so verlangt man nach dem Warum; weiss man z.B. dass die Sonne sich verfinstert, oder dass die Erde sich bewegt, so will man wissen, warum jene sich verfinstert und warum die Erde sich bewegt. Hiermit verhält es sich also so. Manches verlangt man aber in anderer Weise zu wissen, z.B. ob es einen Kentauren oder einen Gott giebt oder nicht? Dieses: Ob es ist, meine ich im vollen Sinne und nicht so, wie bei der Frage: ob Etwas weiss oder nicht-weiss ist. Weiss man nun, dass Etwas ist, so verlangt man nach dem Was es ist, also z.B. was der Gott ist oder was der Mensch ist.

Quelle:
Aristoteles: Zweite Analytiken oder: Lehre vom Erkennen. Leipzig [o.J.], S. 66.
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