[45] Der Āḷavaker:
Was gilt doch hier als höchstes Gut dem Menschen,
Wie mag ein rechter Wandel Glück bereiten?
Was darf als feinster Wohlgeschmack uns dünken,
Und was für Leben lebt man hier am besten?
Der Herr:
Vertrauen gilt als höchstes Gut dem Menschen,
Gerechter Wandel kann da Glück bereiten;
Der feinste Wohlgeschmack, es ist die Wahrheit,
Ein weises Leben lebt man hier am besten.
Der Āḷavaker:
183
Wie kann man kreuzen durch die Flut,
Wie kommt man übers Meer dahin?
Verwinden kann man wie das Leid,
Wie kann man lauter langen an?
Der Herr:
Vertrauen trägt uns durch die Flut,
Ein ernster Eifer übers Meer;
Der Mannesmut verwindet Leid,
Gewitzigt langt man lauter an.
[46] Der Āḷavaker:
185
Wie kann da Witz erworben sein,
Gewinn sich schaffen kann man wie?
Erringen wie den Ruhmespreis,
Wie kann man Freunde ziehn heran?
Aus dieser Welt in jene Welt
Wie kommt man ohne Jammer hin?
Der Herr:
Der Lehre wer vertrauen will
Der Heil'gen zur Erlöschung hin,
Ihr gern Gehör leiht, wirbt um Witz
In ernstem Eifer, wie er weiß.
187
Gewandt im Kampfe, dauerstark,
Der Unverzagte schafft Gewinn,
Um Wahrheit wird ihm Ruhmespreis,
Um Gabe gehn ihm Freunde zu.
Vier Dinge wer da treu bewahrt,
Ein Hausner, der Vertrauen hegt,
Als Wahrheit, Milde, Kraft, Verzicht:
Er kommt wohl ohne Jammer hin.
189
Du aber frag' auch andre nun,
Jedweden Priester, Büßer hier,
Ob Wahrheit, Milde, Selbstverzicht,
Geduld man überbieten mag.
[47] Der Āḷavaker:
190
Wie sollt' ich jetzt wohl fragen noch
Jedweden Priester, Büßer hier!
Ich hab' es heute klar erkannt,
Was heilsam uns hinüberlenkt.
Zum Heile, wahrlich, kam für mich
Der Meister nach Āḷavī her!
Ich hab' es heute klar erkannt,
Wo Gabe Hochgewinn verleiht.
So will ich folgen deiner Spur,
Von Dorf zu Dorfe, Burg zu Burg:
Dem Auferwachten immer treu,
Der Wahrheit also wohlbewährt.
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro