25.

[397] Für die Ausübung der Gastfreundschaft wird uns gewöhnlich auch sehr schlecht gedankt und die so genannten Tischfreunde pflegen eben nicht die zu seyn, auf welche man am zuverläßigsten rechnen darf. Eine Mahlzeit ist freylich eine geringe Wohlthat und jeder nicht ganz arme Mann hat ja auch zu Hause[397] so viel als nöthig ist, um seinen Hunger zu stillen; allein was aus gutem Herzen, um mit seinen Gästen eine frohe, der Geselligkeit gewidmete Stunde, zu verleben, dargereicht wird, verdient immer, der Absicht wegen, Dank, verdient wenigstens nicht so schlecht belohnt zu werden, wie es nur gar zu oft geschieht. Ein Mann, der in dem Rufe steht, gastfrey zu seyn, wird zur Ungebühr von müßigen, zudringlichen Leuten überlaufen. Man nimmt keine Rücksicht auf seine Vermögens-Umstände, sondern quartiert sich bey ihm ein, läßt sich von ihm bewirthen, wenn man da besser, bequemer, angenehmer und wohlfeiler, als in einem Gasthofe, leben zu können glaubt. Das Haus eines wohlhabenden Mannes, der häufig Gesellschaft bey sich sieht, wird von den mehrsten Leuten wie ein allgemeiner Sammelplatz betrachtet, wohin man sich begiebt, um dort Personen anzutreffen, mit denen[398] man gern seine Zeit hinbringen möchte, ohne in seiner eignen Wohnung Ungemächlichkeit davon zu haben. Um den Hauswirth bekümmert man sich dann wenig, läßt sich's aber auf seine Kosten wohl seyn. Noch ist er glücklich, wenn die Herrn und Damen nur zufrieden mit dem vorlieb nehmen, was seine Küche und sein Keller vermögen; allein gewöhnlich bekritteln die, welche es sich am besten haben schmecken und die daheim gewiß nicht so viel würden aufgehn lassen, hinterher die Art der Bewirthung, suchen den Mann lächerlich zu machen, der ihnen alle Aufmerksamkeit bewiesen hat und misbrauchen die vertraulichen Aeußerungen, die ihm beym frohen Mahle entwischt sind, zu seinem Nachtheile. Hast du nun vollends das Unglück, für einen Liebhaber und Beförderer der Wissenschaften und Talente zu gelten; so wird bald deine Wohnung zu einer Herberge für alle reisende Gelehrte und Künstler[399] werden. Diese finden Mittel, deine Gastfreundschaft auf vielfache Weise zu ihrem Vortheile zu nützen. Ihre Rechnung im Wirthshause wird geringer, wenn sie an deiner Tafel ihren Hunger stillen; durch dich gelangen sie zu der Kenntniß aller Merkwürdigkeiten, die in deiner Vaterstadt aufzuweisen sind, welches ihnen dann, wenn sie zu der Legion von Büchermachern gehören, Gelegenheit giebt, ein Paar Bogen Papier mit den Beobachtungen zu beklecksen, die sie an deiner Seite gemacht haben; bald nachher erlebst du die Freude, in einer schlechten Reisebeschreibung, oder in einer Zeitschrift, ein verzeichnetes Gemälde deines häuslichen Lebens, eine Schilderung deines Charakters, den sie in wenig Stunden ergründet haben, und eine unbescheidne öffentliche Mittheilung der unbefangenen Reden, die du gegen sie geführt hast, zu lesen und vielleicht deine eigne Waare wieder zu kaufen.[400]

Uebrigens geschieht auch manchen Leuten schon Recht, die, aus Eitelkeit und Prahlerey, sich um die Ehre reissen, jeden Fremden, besonders von vornehmem Stande, in ihren Häusern zu bewirthen, damit diese sehn sollen, wie groß es bey ihnen hergeht; die jeden Abentheurer von der Straße hereinziehen, um in den Ruf ausgebreiteter Bekanntschaften und Verbindungen zu kommen – es geschieht ihnen schon Recht, wenn hinterher Undank und Spott ihr Lohn ist, wenn vernünftige Leute über die Thorheit eines Mannes die Achseln zucken, der sein und seiner zahlreichen Familie Vermögen auf diese Weise verschleudert, wenn endlich, nachdem er sich zu Grunde gerichtet hat, oder zur Sparsamkeit zurück gekommen ist, die vornehmen Tischgenossen sich stellen, als kennen sie den Mann nicht, bey dem nichts mehr zu geniessen ist, der Haufen der Schmarotzer aber sich um ein Haus wegschleicht,[401] aus welchem sie nicht länger den Duft köstlicher Leckerbissen wittern.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 397-402.
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