Drittes Kapitel

[4] In derselben Weise wird es sich mit den nothwendigen Sätzen verhalten. Der verneinende allgemeine Satz lässt sich auch hier in einen allgemeinen umkehren; aber von den bejahenden allgemeinen Sätzen lautet der umgekehrte nur beschränkt. Denn wenn A nothwendig in keinem B enthalten ist, so muss auch B nothwendig in keinem A enthalten sein; denn wenn es in einigen A enthalten sein könnte, so müsste auch das A in einigen B enthalten sein.

Wenn aber das A nothwendig in allen oder einigen B enthalten ist, so muss auch B in einigen A nothwendig enthalten sein; denn wäre dies nicht nothwendig, so würde auch A nicht nothwendig in einigen B enthalten sein. Dagegen findet bei dem beschränkten-verneinenden Satze aus dem vorher erwähnten Grunde keine Umkehrung statt.

Bei Sätzen, die nur als statthafte ausgesagt werden, wird das Statthafte in mehrfachem Sinne gebraucht. (Denn man sagt sowohl von dem Nothwendigen, wie von dem Nicht-nothwendigen und Möglichen, dass es statthaft sei.) Bei solchen Sätzen verhält es sich, wenn sie bejahend sind, ebenso, wie bei allen übrigen. Denn wenn A in allen oder in einigen B statthafterweise enthalten ist, so ist auch das B in einigen A statthafterweise enthalten, denn wäre es in keinem A enthalten, so wäre, wie ich früher gezeigt, auch das A in keinem B enthalten.[4]

Bei den verneinenden solchen Sätzen verhält es sich aber nicht ebenso. So weit hier Etwas als statthaft ausgesagt wird, weil es nothwendig sich so verhält oder weil es nicht-nothwendig sich so verhält, so findet allerdings auch bei solchen Sätzen die Umkehrung ebenso, wie bei den früheren, statt. So kann man z.B. sagen: Der Mensch ist statthafterweise kein Pferd, oder: das Weisse ist in keinem Mantel enthalten; bei dem ersten Satze ist die Verneinung eine nothwendige, bei dem andern ist die Bejahung nicht nothwendig und hier findet die Umkehrung ebenso, wie bei den früheren Fällen statt; denn wenn es statthaft ist, dass das Pferd in keinem Menschen enthalten ist, so ist auch der Mensch in keinem Pferde statthafterweise enthalten; und wenn das Weisse in keinem Mantel statthafterweise ist, so ist auch der Mantel statthafterweise in keinem Weissen enthalten; denn wäre er nothwendig in einigen Weissen enthalten, so müsste auch das Weisse nothwendig in einigen Mänteln enthalten sein, wie dies vorhin dargelegt worden ist. Auch mit den beschränkt verneinenden Sätzen dieser Art verhält es sich ebenso.

Wo aber das Statthaft-sein das »Meistentheils- oder das Naturgemäss-sein« bedeutet, in welcher Weise ich das Statthaft-sein definirt habe, da wird es sich mit der Umkehrung der verneinenden Sätze nicht ebenso verhalten; vielmehr lässt sich da der allgemein-verneinende Satz nicht umkehren, sondern nur der beschränkte. Es wird dies klar werden, wenn ich über das Statthafte sprechen werde. Für jetzt ist zu dem Gesagten nur so viel klar, dass ein Satz, welcher sagt, dass etwas statthafterweise in keinem oder in einigen nicht enthalten sei, die Form eines bejahenden Satzes hat, weil das Statthafte, so, wie das ist in dem Satze eingestellt wird, und weil das ist da, wo es von etwas ausgesagt wird, immer und durchaus eine Bejahung hervorbringt, wie z.B. in den Sätzen: Es ist nicht-gut, oder: Es ist nicht-weiss; oder überhaupt: Es ist nicht-dieses. Auch dies wird später dargelegt werden. Deshalb werden sich solche Sätze in Bezug auf deren Umkehrung wie die übrigen bejahenden Sätze verhalten.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 4-5.
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